Zwischen den Welten
– Mein Alltag als Sportlehrer, Fußballtrainer und Leiter der Kindersportschule Murnau –
Dieser Blogeintrag beschreibt die unterschiedlichen Anforderungen in meinen verschiedenen Jobs anhand einer beispielhaften Woche (Donnerstag bis Sonntag). Damit verbunden zeigt er auf, mit welchen Situationen ich konfrontiert werde und welche Mittel und Wege ich verfolge, um diese Situationen erfolgreich zu meistern. Wie Ihr sehen werdet, kann die Bewertung von Erfolg in den verschiedenen Bereichen komplett variieren. Doch seht selbst!
Fußballtrainer TSV Murnau: Planung ist alles
Es ist Donnerstag, der 17. November 14:00 Uhr. Ich befinde mich auf den Weg zur Poschinger Allee, den Ort denn ich in den letzten Jahren wohl als mein zweites Zuhause betrachten kann. Um 14:30 Uhr beginnt die erste Stunde der Kindersportschule, doch meine Gedanken sind aktuell noch bei einem anderen Thema. Gerade hat mich ein Stürmer meiner A-Jugend angerufen, er kann heute Abend nicht zum A-Jugend Training kommen(erkältet) und droht somit für das wichtige Spiel am Samstag gegen Schwaben Augsburg auszufallen (Dritter vs. Vierter). In den Gedanken, wie ich den Ausfall kompensieren werde, klingelt erneut das Handy. Auch bei meinen D-Jugendspiel am morgigen Freitag fällt ein weiterer Spieler aus. Die U13 spielt morgen gegen die Junglöwen, bei einem Sieg ziehen wir in die Meisterrunde der BOL ein, bei einer Niederlage spielen wir „nur“ in der Aufstiegsrunde!
So leite ich eine Stunde der Kindersportschule Murnau
14:10 Uhr. Ankunft Poschinger, die Gespräche sind erledigt, ich schalte das Handy aus, ab jetzt gehört meine Aufmerksamkeit den Kids der Kindersportschule. Hier kommen Kids aus den Altersstufen 3-10 Jahre, um in die Welt des Sports einzutauchen. Gruppe eins beginnt um 14:30, die jüngsten aller Teilnehmer warten. Hier ist die Hauptaufgabe den Kids, einen lustigen und spaßigen Einstieg in die Welt des Sports zu ermöglichen und ihnen möglichst viele Bewegungsaufgaben mit und ohne Ball zu stellen. Dazu versuchen wir erste kleine Verhaltensweisen einzufordern und vorzuleben z.B. Anstellen, Rücksicht auf Mitspieler und ein konstruktives Eingliedern in die Gruppendynamik.
Warum ich bei der Stunde für die Jüngsten auch mal spontan sein muss
Die heutige Stunde verläuft etwas schleppend. Mit der Begrüßung zu Beginn fängt ein Kind an zu weinen, ein weiteres rennt ohne zu fragen zu seiner Mama. Mit Spielen, Vor- und Mitmachen von Übungen und auch mit Freiphasen, wo die Kinder ohne Anweisungen bestimmte Dinge ausprobieren dürfen, versuche ich die Kinder da abzuholen, wo sie entwicklungstechnisch sind. Auch die Anweisungen und Korrekturen halten sich in dieser Jahrgangstufe noch in Grenzen. Hier freue ich mich, wenn die Kids lachen und sich bewegen. Aber auch das gelingt nicht immer.
So auch heute, doch zumindest beim Abschlussspiel (Feuer/Wasser /Sturm) sind alle wieder an Bord und so gingen die meisten Kids mit einem zufriedenen Gesichtsausdruck nach Hause.
Für mich dagegen geht es nach einer kurzen Pause weiter, nun kommen die 5-6 jährigen. Zwei Kinder sind neu, wollen heute das erste Mal schnuppern. Nach einem kurzen Gespräch mit den Eltern, wo ich Ihnen die Vorteile des Angebots „Kindersportschule“ verdeutliche, beginnt Gruppe zwei. Die Stunde läuft gut, die Kinder machen brav mit und haben offensichtlich Spaß, doch am Ende passiert es. Ein Kind stolpert beim Staffellauf, stürzt und fällt auf den Boden.
Für mich ein kurzer Schockmoment, schnell eile ich zum Kind doch zum Glück ist nichts Schlimmes passiert. Ein kurzes Prüfen, ob alles in Ordnung ist, dann ein auflockernder Spruch. Das Kind versteht dich, lacht und schon geht’s wieder. Die Tränen sind schnell getrocknet, denn beim Abschlussspiel (Chinesische Mauer) will man ja wieder dabei sein. Nach einer Stunde verabschiede ich die Kinder, alle klatschen ab und viele Eltern bedanken sich höflich. War die Stunde erfolgreich? Ich hoffe und denke ja, denn die Kids gehen heute müde und verschwitzt nach Hause.
Wie sich meine Trainerrolle im Laufe des Nachmittags verändert
In der Pause zwischen Gruppe zwei und drei schaue ich kurz auf mein Handy, doch diesen Blick hätte mir sparen sollen. Zwei verpasste Anrufe und einige Whatsapp Nachrichten leuchten schon wieder auf. Doch diesmal zum Glück keine weiteren Absagen für die Spiele am Wochenende – immerhin.
Dann treffen auch schon die Ältesten Kids der Kindersportschule ein. Hier geht es bei Spielen und Übungen schon sehr rasant zu. Meine Coachingrolle verändert sich im Vergleich zur Gruppe eins komplett, vom Animateur zum „strengen“ Kontrolleur. Die 8–10-jährigen testen häufiger ihre Grenzen aus, Konflikte unter den Kindern treten viel häufiger auf und allgemein geht es, wie schon erwähnt, wilder zu. Auf der anderen Seite setzen die Kinder die Aufgaben schon sehr gut um, und man erkennt im motorischen Bereich relativ schnell, sehr große Fortschritte. Auch in Gruppe drei überwiegt in der Kindersportschule der spielerische Ansatz und auch hier bekommen die Kinder Freiphasen, wo sie sich in bestimmten Sachen ausprobieren können. Dies ist beim Fußball in derselben Jahrgangsstufe nicht denkbar, zumindest nicht beim TSV. Doch ist ein Ansatz wirklich besser als der andere? Oder gibt es nicht einfach Kinder, für den der Ansatz der Sportschule besser passt und auf der anderen Seite Kids, für den der Lehrweg der Fußballabteilung der Richtige ist? Und was ist erfolgreiche Arbeit in welchem Bereich? Mit diesen Fragen beschäftige ich mich häufig und versuche einen passenden Mittelweg zu finden.
17:45 Uhr. Die Gruppe drei geht nach Hause, ich packe meine Sachen. Heute ist viel passiert in den Stunden. Es war aus meiner Sicht nichts Weltbewegendes dabei, doch natürlich kann es sein, dass es Kinder und Eltern völlig anders empfinden/empfunden haben!
Flexibilität is alles: Wie ich mein Verhalten auf die jeweilige Situation anpasse
Doch zum Reflektieren bleibt nicht so viel Zeit, ich wechsle die Location. Es geht von der Sporthalle auf den Platz, dort wo ich mich immer noch am wohlsten fühle. Auch wenn ich jeden meiner Jobs mag und zu schätzen weiß, am Ende ist und bleibt Fußball meine größte Leidenschaft. Das Abschlusstraining der U19 steht auf dem Programm. Am Vormittag habe ich die Einheit vorbereitet, mit meinen Co Migga Schmid gesprochen und mir meine Gedanken um Aufstellung und letzte Details in der Spielvorbereitung gemacht. Bei einem kurzen Snack in der „Waldklause“ passe ich an diese Überlegungen die letzten Vorkommnisse an, u. A entscheide ich welcher Spieler den Ausfall meines Stürmers kompensieren soll.
18:30 Uhr, das Training der U19 beginnt. Auf einmal stehen vor mir 17 und 18jährige Burschen, topfit, leistungsorientiert und mit einem großen Anspruch. Vor drei Stunden habe ich mit/zu Dreijährigen gesprochen. Wieder gilt es die richtigen Worte zu finden, die Jungs in ihrer Motivation zu stärken, doch natürlich muss man seine Worte anders wählen als in den Nachmittagsstunden. Auch ist das Format komplett anders, mit meiner U19 und auch mit der U13 spielen wir in hohen Ligen, arbeiten leistungsorientiert. Den Unterschied der Formate und die passsende Ansprache für die jeweilige Gruppe ist mit Sicherheit eine der größten Herausforderungen, die ich zu bewerkstelligen habe. Doch die aktuelle Phase ist gut, mein Team arbeitet gut und das Trainingsniveau ist hoch. Tempo und Bereitschaft beeindrucken mich derzeit und so gibt es im Anschluss des Trainings noch eine kurze Besprechung und dann geht es gegen 21:00 Uhr in den wohlverdienten Feierabend.
Nach dem Spiel ist vor dem Spiel: „Oder nach dem Spiel ist vor dem Schulunterrricht“
Feierabend mit einigen kleinen Abstrichen. Daheim angekommen packe ich meine Sachen für den morgigen Schultag und bereite noch die letzten Dinge für den zweiten Teil der Volleyball Noten vor. Seit September arbeite ich Freitag und Montag am Werdenfels Gymnasium als Sportlehrer. Diesen Job bin ich mit dem klaren Ziel angetreten, den Schülern eine Hilfestellung im Schulalltag zu bieten. Nachdem für mich die Schulzeit nicht zur besten Zeit meines Lebens gehörte, würde ich mich freuen, wenn die Schüler die Stunden als Erleichterung sehen und nicht als zusätzliche Belastung empfinden. Doch auch hier merkte ich schnell, dass Notendruck dieses Ziel, selbst im Sport gefährden kann. Jedoch versuche ich auch hier einen Mittelweg zu finden und zumindest einen Weg mit den Schülern zu finden, wie sie positiv mit der Thematik umgehen können. So zumindest die Theorie – wie es in der Praxis ausschaut werden die nächsten Monate zeigen. Nach einem ereignisreichen Tag bin ich sehr dankbar, dass ich abends zumeist sehr schnell abschalten kann und recht viel und auch tief schlafe!
Die Schule sind mehr als Noten: Wie ich hoffe, durch mein Lehrerverhalten positiv zur Entwicklung des Schülers beizutragen
So wache ich am nächsten Tag (auch in der Regel) entspannt auf und fahre ich mit einem erfahrenen Kollegen in die Schule. Ich erzähle ihm viel vom Fußball und frage meinerseits viel über die Schule, seine Vorgehensweise in bestimmten Situationen und manchmal reden wir auch über private Dinge 😉. In der Schule angekommen, geht es Schlag auf Schlag, die ersten zwei Stunden Klasse 8c, Stunde drei und vier 9c und zum Schluss die lebhafte 5c! Beim Noten machen in der Achten erlebe ich ein paar Dinge, von denen ich mich etwas „gefürchtet“ habe. Kinder, die die Situation „Noten machen“ etwas zu sehr gewichten und sich teilweise stark unter Druck setzen. Dementsprechend kommt es schon zu Situationen, wo man aufgrund der gezeigten Leistungen keine Top Note geben kann, wo man aber aufgrund der Kommunikation und seinem Lehrerverhalten dazu beitragen kann, dass der Schüler/die Schülerin vielleicht auf einer anderen Ebene profitieren kann. Zumindest ist das meine Hoffnung und dann ist das vielleicht (oder mit Sicherheit!!!) auch wichtiger als die Einzelnote!
Das Wochenende und die Frage was ist Erfolg?
Nachdem der Schultag beendet ist, beginnt für mich das Wochenende und das bedeutet in meinen Fall in der Regel zwei, manchmal sogar drei Spiele mit meinen Jugendteams. Spielvorbereitung, kurzfristige Anrufe und Änderungen, organisatorische Dinge wie u. a. Platz herrichten, es stehen in der Regel immer die gleichen Abläufe an. Nach knapp 15 Jahren als Trainer sind die Mechanismen da, seltsamerweise bzw. glücklicherweise haben einige Spiele nichts an ihren Reiz und ich freue mich trotz der hohen Anzahl an Spielen auf die meisten Begegnungen. An diesem Wochenende verlieren wir gegen die Löwen leider mit 0:2, spielen mit der A-Jugend 1:1 und schlagen in einem weiteren D-Jugendspiel den Gegner deutlich! War es ein erfolgreiches Wochenende? Aus rein leistungsorientierter Sicht mit Sicherheit nicht, denn mit der D-Jugend haben wir die Meisterrunde verpasst und auch in der A-Jugend wäre ein Sieg möglich gewesen.
War es aber vielleicht doch ein Erfolg, da man in einer anstrengenden Woche viele Entscheidungen treffen musste, Spiele auf Top Niveau bestreiten durfte und insgesamt durch viele Begegnungen mit Menschen neue Erfahrungen sammeln konnte? Diese Frage kann ich für mich nicht vollends beantworten. Nur so viel.
Auch ist mir klar das jede meiner Entscheidungen und Aussagen, die ich für mich als Alltag empfinde, für meinen Gegenüber (Spieler,Schüler,Eltern,Kind) als sehr bedeutend eingeschätzt wird und/oder anders wahrgenommen werden kann. Dieser Verantwortung bin ich mir absolut bewusst und ich werde auch in Zukunft versuchen, diese Situationen bestmöglich zu meistern.
Ich hoffe, ich konnte Euch einen Einblick „in meine Welt“ geben und bin gespannt wie Ihr über bestimmte angesprochene Themen denkt. Gerne könnt ihr mir dazu ein Feedback unter presse@dd-events.net geben.